Vor Kurzem habe ich einen Gutschein zu einer Ernährungsberatung bekommen. Schlagworte waren da „individuell“, „Analyse“ und anderes. Ich hab‘ mich echt darüber gefreut, einfach mal konkret zu gucken: Wie ernähre ich mich denn gesund und besser und worauf muss ich persönlich achten? Klasse! Also ging ich hin, total motiviert. Als ich ankam, wurde mir erst einmal ein Shake angeboten – aha. Nachtigall ich hör‘ dir trapsen… Aber ich wollte keine vorschnellen Schlüsse ziehen. Doch nach einer Stunde war klar: Da war nichts mit „individuell“. Stattdessen war ich einfach in eine Shake-Verkaufs-Veranstaltung gelangt, in der mir eine Frau klar machen wollte, dass ich mich eh nicht gesund ernähren kann, sondern das nur mit diesen Shakes ginge. Sprich: Für mich war das, was verkauft werden sollte, eine Lüge.
Wenn ich das Wort Familie höre, bin ich total altbacken und ich sehe spontan vor meinem inneren Auge: „Vater, Mutter, Kind“. Eventuell gehören dann noch Oma und Opa dazu. Das Meerschweinchen hat in der Kirche nicht wirklich etwas zu suchen.
Jetzt schau doch mal in deine Gemeinde und gucke, wer alles unter diesen Begriff „Familie“ fällt und wer sich deswegen ausgeladen fühlen könnte.
Ich möchte dich fragen:
- Wer genau ist die Zielgruppe des Familiengottesdienstes?
- Wer ist denn mit Familie gemeint? Alle – oder?
- Doch wenn der Familiengottesdienst ein Gottesdienst für alle ist, dann frage ich mich: Warum wird daraus etwas ganz anderes gemacht?
Hier ein paar Varianten, die fälschlicherweise den Namen „Familiengottesdienst“ tragen.
Kindergottesdienst als Familiengottesdienst
Auf einmal sind einen Gottesdienst lang die Erwachsenen nur noch Publikum. Es wird ein Kindergottesdienst gehalten, in dem nur Lieder für Kinder gesungen werden, in dem nur in Babysprache geredet wird, in dem nur die Kinder angesprochen werden, in dem Erwachsene miterleben können, wie sonst der Gottesdienst für die Kids abläuft.
In meinen Augen ist das KEIN Familiengottesdienst.
Ein Kindergottesdienst hat seine Elemente. Wie kommt es dann, dass so viele Familiengottesdienste bis ins kleinste Detail wie ein Kindergottesdienst ablaufen?
Wenn in eurem Gottesdienst Kollekte, Ansagen, Fürbitte, Lobpreisteil, Vater Unser und Predigt Standardelemente sind, warum werden sie dann im Familiengottesdienst größtenteils verbannt?
Gottesdienst mit integriertem Kindergottesdienst-Teil
Stolz werden im Gottesdienst 15 Minuten Kinderprogramm geboten. Da darf jeder mal Zuschauer sein. Die Erwachsenen gucken die 15 Minuten beim Kinderprogramm zu und die Kinder 45 bis 60 Minuten bei dem Erwachsenen-Programm zu. Nicht einmal annähernd kann irgendeiner da von einer genussvollen Zeit im Gottesdienst sprechen.
Gottesdienst mit pastoraler Kinderandacht
Der Horror vieler Pastoren sind die Familiengottesdienste. Dort sollen sie witzig, spritzig, kreativ und tiefsinnig für Kinder und Erwachsene sein, um es für alle interessant zu machen.
Aber wir vergessen dabei, dass unser Pastor keine eierlegende Wollmilchsau ist. Ganz ehrlich: Habt Erbarmen! Euer Pastor leidet, weil es wahrscheinlich nicht seine Begabung ist. Ihr leidet, weil der ganze Gottesdienst dadurch nichts Halbes und nichts Ganzes ist. Und die Kids ruckeln auch nur unruhig auf den Stühlen rum.
Und auch hier bin ich knallhart, wie im Artikel „Singen im Kindergottesdienst„:
Wenn keiner aus eurer Gemeinde die Begabung hat, dass es mit Toleranz für die Menschen im Gottesdienst ein guter Gottesdienst ist, dann habt Mut zur Lücke und macht keinen Familiengottesdienst. Ja, ich weiß: „Aber sollte man nicht…?“ Und „Es ist doch gut, wenn die Kids auch den Gottesdienst erleben und wenn alle auch mal im Gottesdienst zusammen sind.“ Ja!
Aber es soll doch eine gute Zeit werden und keine qualvolle Zeit. Und wenn sie für alle qualvoll ist, naja, dann wird Gott sich an diesem Gottesdienst wohl auch nicht erfreuen.
Ist euer Familiengottesdienst ein Familiengottesdienst oder ist der Titel eine Lüge?
Die 5 Schritte, die euren Gottesdienst zu einer guten Zeit machen
1. Stelle ein Team zusammen
Upps – habt ihr ein Team? Bist du allein? Wird von dir oder irgendwem erwartet, dass du das machst, weil es schon immer so war?
Werde dir ganz schnell klar, ob es so, wie es ist, gut ist. Wenn du gerne alleine Familiengottesdienste gestaltest, dann ist das ok. Du musst es nur wissen und das auch tragen wollen. Wenn nicht, solltest du mit der Person reden, die für Veränderung zuständig ist. Sorge für dich. Lass dich zu nichts zwingen.
- Welche Begabungen hast du?
- Wer wäre eine super Ergänzung?
- Fällt dir jemand ganz anderes ein, als diejenigen, die schon immer vorne stehen? Oft sind wir da mit Blindheit geschlagen.
- Wen kannst du fragen, den du noch nie gefragt hast? Die Bildung eines neuen Teams birgt viele Möglichkeiten.
Insidertipp von mir:
Familiengottesdienst ist Projektarbeit.
Jugendliche lassen sich heutzutage oft nicht für kontinuierliche Mitarbeit gewinnen. Kindergottesdienst ist deswegen oft nichts für sie. Familiengottesdienst ist da etwas ganz anderes. Probier es aus
2. Welche Begabungen habt ihr in eurem Team oder du allein
Wenn ihr noch nicht überblicken könnt, was ihr genau leisten könnt, dann heißt es zu schauen, welche Begabungen ihr in eurem Familiengottesdienst-Team habt. Dazu muss kein Gaben-Test her. Sondern seid einfach ehrlich und sprecht darüber, was jeder von euch wirklich gerne macht.
3. Was decken diese Begabungen im Bezug auf einen Familiengottesdienst ab
Dieser Weg ist sicher ungewöhnlich. Und es kann passieren, dass jemand im Team ist, bei dem ihr feststellt: Keine seiner Begabungen wird für ein Element des Familiengottesdienstes gebraucht. Warum ist er dann im Team? Kann man etwas Neues schaffen? Wenn nicht, sollte sich diese Person woanders ehrenamtlich einbringen
4. Legt den Zeitrahmen im Gottesdienst fest
Wenn ihr für alle eine gemeinsame gute Zeit gestalten wollt, schaut, ob ihr nur eine Teil-Zeit für alle so gestalten könnt oder ob ihr den gesamten Gottesdienst mit euren Kapazitäten so hinbekommt. Wenn ihr nicht die ganze Zeit abdecken könnt, dann lasst die Kids ihre Zeit an einem anderen Ort haben und die Erwachsenen ihre Zeit an ihrem Ort. Wir wollen doch, dass die Menschen gerne kommen.
Erweitern könnt ihr immer. Aber erst einmal gilt es klein anzufangen, aber gut. So werden alle mehr Freude an der Gottesdienst-Zeit haben.
Insider-Wissen von mir:
Wenn ihr Spaß habt – und die werdet ihr haben, denn jeder tut ja das, was er gerne macht – wird eure Freude anstecken und es werden neue Menschen in euer Team kommen wollen.
5. Legt los
Ich wünsche euch Mut, diese Schritte zu gehen.
Wie ihr als Familiengottesdienst-Team nun Gottesdienst-Elemente so füllt, dass sie für alle gut sind, könnt ihr im Artikel „Familiengottesdienste, die bei allen gut ankommen“ lesen.